Caroline Fux: Alles über multiple Orgasmen
Caroline Fux: Alles über multiple Orgasmen
Was gilt als multipler Orgasmus? Was bedeutet das für Männer und Frauen? Sind multiple Orgasmen überhaupt erstrebenswert? Alle Antworten auf die Fragen rund um das Thema hat uns die Psychologin und Sexologin Caroline Fux gegeben.
Caroline Fux, wie erreicht man multiple Orgasmen?
Zuerst müssen wir klären, was multiple Orgasmen überhaupt sind. Die Meinungen darüber gehen nämlich auseinander.
Was gibt es denn für verschiedene Meinungen?
Eine zentrale Frage ist, wie viel Zeit zwischen den Orgasmen liegen darf, damit sie als multiple gelten. Sekunden? Minuten? Oder ist ein multipler Orgasmus so etwas wie eine grosse Welle, die kommt und geht, aber nie ganz absetzt? Besonders spannend ist die Diskussion in Bezug auf Männer.
Warum gerade bei den Männern?
Dort geht es darum, ob es eine Ejakulation geben darf oder nicht. Das ist deshalb wichtig, weil nach einer Ejakulation die so genannte Refraktärzeit kommt.
Was ist die Refraktärzeit?
Das ist eine hormonell bedingte Pause, die es braucht, bis wieder eine Erektion und ein Orgasmus möglich sind. Die kann von wenigen Minuten bis hin zu mehreren Tagen dauern. Tendenziell wird die Refraktärzeit mit dem Alter länger, aber es hat ein Stück weit auch mit der persönlichen Veranlagung zu tun.
Das würde aber bedeuten, dass Männer gar keine richtigen multiplen Orgasmen haben können.
Das kommt dann wie gesagt auf die Definition an. Soll mit dem Orgasmus auch eine Ejakulation stattfinden, wird es eher schwierig. Deshalb wird bei Männern eher das Konzept der Orgasmuswelle angewendet. Manche sagen aber, dass genau das keine echten multiplen Orgasmen seien.
Wie sieht es bei Frauen aus?
Beim biologisch weiblichen Körper gibt es die Einschränkung durch die Refraktärzeit nicht. Deshalb versteht man multiple Orgasmen dort meist als Orgasmen, die in der gleichen sexuellen Begegnung stattfinden. Aus der sexologischen Praxis kann ich aber sagen, dass unglaublich viel mehr Frauen damit kämpfen, überhaupt einen Orgasmus haben zu können, als solche, die multiple kennen.
Wie kann man das ändern? Und zwar bei Männern und Frauen?
Zuerst möchte ich betonen, dass das gar nicht alle Menschen erstrebenswert finden. Für viele ist die Entspannung nach dem Kommen so tief und angenehm, dass sie happy damit sind, wenn das eine Art Abschlusserlebnis bleibt. Bei andern wird jede Stimulation nach dem Orgasmus so intensiv, dass es unangenehm ist oder sogar weh tut. Es gilt also hier nicht zwingend «Je mehr, je besser».
Und wenn man es möchte?
Dann muss man wissen, wie man seine Erregung gut steigern kann. Der Orgasmus ist ein Reflex, der ausgelöst wird, wenn die Erregung ein bestimmtes Niveau erreicht hat. Was genau die Erregung einer Person steigert, ist aber individuell. Für die einen sind Fantasien wichtig, für die anderen Berührungen an bestimmten Körperteilen, wieder andere brauchen ein Material oder ein Outfit.
Helfen Dinge wie Beckenbodentraining, Squeeze-Techniken oder das Pressen von bestimmten Punkten am Penis?
Alles, was die Sexualität lustvoll und vielseitig macht und bei dem Körper und Geist im Einklang sind, hilft. Bei konkreten Techniken oder Handgriffen wäre ich aber skeptisch. Die killen oft mehr Genuss, als dass sie bereichern.
Was sagst du, wenn jemand bei dir in der Beratung multiple Orgasmen lernen möchte?
Dann schaue ich das ganzheitlich mit ihnen an. Sprich: Was macht die Person jetzt schon und was kann sie neu dazulernen, damit sich ihre Sexualität entspannt, kreativ, lustvoll und rundum befriedigend anfühlt. Weiter frage ich nach, warum es unbedingt mehrere Orgasmen sein müssen und ob die Person das, was da ist, überhaupt in vollen Zügen geniesst.
Dann sind multiple Orgasmen auch etwas überschätzt?
Ich behaupte: ja. Sexuelles Glück entsteht meiner Erfahrung nach viel eher durch ausgiebigen Genuss und tiefe Befriedigung. Und das hat nur bedingt mit der Zahl von Orgasmen zu tun.